„Das Schauspiel ist die tätige Reflexion des Menschen über sich selbst …” Novalis
Ausgebreitet vor sich erlebt der Zuschauer, aber auch der Mitspieler, die eigenen menschlichen Höhen und Tiefen, die seelisch-geistigen Abgründe und Höhenflüge, Gipfel menschlicher Moralität. Hier, vor allem im Bereich der Pubertät, die Schüler mit wertvollen Inhalten und entsprechend künstlerisch-theatralischen Formen zusammenzubringen, ist ein wichtiges Anliegen innerhalb unserer pädagogischen Bemühungen. Aufkeimende, auch aufschießende Gefühle, u. U. auch Gefühlseruptionen sollen nicht unterdrückt, aber in bewusste Bahnen gelenkt oder umgelenkt werden.
Die Erlebnisfähigkeit des Darstellers und des Zuschauers soll angeregt, gesteigert werden – in den „Kanälen“ bedeutender dramatischer Werke, angesiedelt in allen Zwischenbereichen der Tragik und Komik. Die Polaritäten des Daseins in aller Mannigfaltigkeit zur Erscheinung und zu Gehör zu bringen, alle Schattierungen zwischen Liebe und Hass, Freude und Trauer, Mut und Angst, Leben und Tod, Dummheit und Klugheit, Jugend und Alter, Güte und Bosheit, Mitleid und seelische Kälte, Kühnheit und Feigheit, Wahrheitsliebe und Lüge – auf der Bühne kommen sie uns entgegen und bringen uns als Darsteller und Zuschauer hinsichtlich Selbsterkenntnis und Welterkenntnis voran (siehe obiges Novalis-Zitat).
Ein großes Anliegen war und ist es, im Bühnengeschehen alle kreativen Kräfte der Schüler zu erwecken und zum Einsatz zu bringen. Das heißt, alles, was in bildnerischer, plastischer und handwerklicher Hinsicht gefordert wird, zu leisten (siehe Bühnenbild), aber auch je nach den Erfordernissen der Dichtung die Tanz-, Gesangs- oder Instrumentalaktivitäten einzusetzen.
Im Vordergrund steht die sprachlich-gestische Auseinandersetzung mit wertvoller Bühnendichtung und damit das entsprechende Erfassen des Bühnenraumes, das Ergreifen der jeweiligen Stimmung einer Szene und vor allem die bühnen- bzw. rollengerechten Reaktionen auf die entsprechenden Bühnenpartner. Auch das Herstellen und der Umgang mit den Kostümen und
Requisiten (Fächer, Säbel, Taschen etc.) will getätigt werden. So kann man von anderer Seite her sagen, dass hier Geist, Seele und Körper in ihrer Entwicklung in hohem Maße gefordert und gefördert werden. Es ist selbstverständlich, dass an Samstagen und in den Faschingsferien täglich geprobt wird, damit die Schüler in den vier bis fünf Aufführungen vor Zuschauern schlussendlich die Aussage des jeweiligen Stückes überzeugend über die Rampe bringen können.
In den 40 Jahren des Bestehens unserer Schule haben Schüler obiger Altersstufe von der Klassik bis zur Moderne (von Shakespeare über Molière, Gozzi, Schiller, Goethe, Raimund, Grillparzer bis zu J. Günther, L. Fulda, M. Ende, O. Preußler) viele Bereiche des Welttheaters durchstreift und aktiv Einblicke in die Geschichte der Menschheit, in Seelengründe, Leidenschaften, Impulse, Gedankenleben des Menschen bekommen und damit die Möglichkeit, später selbst der Tragik bzw. Komik innerhalb des eigenen Lebens den tieferen Sinn abzugewinnen.
Manfred Tächl