Appell an die Selbstheilungskräfte
Für die Waldorfpädagogik bildet die anthroposophische Menschenkunde Rudolf Steiners die Grundlage ihres Wirkens und ihres Erfolgs. Das Kind und seine gesunde Entwicklung stehen im Mittelpunkt. Seit Gründung der ersten Waldorfschule vor über 90 Jahren in Stuttgart entwickelte sich in den Schulen ein starker therapeutischer Impuls. Von Anfang an wurde ein Schularzt in das Kollegium berufen und die Heileurythmie war schon bald nach ihrer Inaugurierung im Jahre 1921/22 ein fester Bestandteil der Waldorfpädagogik. Auch die Freie Waldorfschule Filstal fühlt sich diesem therapeutischen Impuls seit ihrer Gründung verpflichtet und so wurde die Heileurythmie seit den frühen Anfängen fest in unsere Schule integriert.
Heileurythmie ist eine Bewegungstherapie. Sie appelliert an die Selbstheilungskräfte im Menschen, indem sie harmonisierend auf das Gleichgewicht zwischen Leib, Seele und Geist wirkt. Die eurythmischen Bewegungen für die Laute der Sprache (Vokale, Konsonanten) richten sich in der künstlerischen Eurythmie als Träger einer „beseelten Bewegung“ eher nach außen, gewissermaßen auf den Betrachter. Die heileurythmischen Bewegungen für diese „Buchstaben“ sind so abgewandelt, weiter entwickelt worden, dass sie anregend auf die Kräfte im Menschen wirken, die ihn gesund erhalten, bzw. gesunden lassen. Dafür übt man bestimmte Abfolgen von Lauten (Buchstaben), die eine gezielte Wirkung haben.
Im Schulzusammenhang hat die Heileurythmie das vordringliche Ziel, Kindern und Jugendlichen auf dem Weg zu einer gesunden Entwicklung zu helfen.
Normalerweise kommen also in der Schule keine kranken Kinder zur Heileurythmie. Zumeist geht es darum, sie in den Schulalltag, den Unterricht zu integrieren, das Selbstbewusstsein zu stärken, Ängste zu mindern, die Konzentrationsfähigkeit zu steigern usw. Viele Kinder leiden aber auch an Haltungsschäden, Heuschnupfen und anderen Allergien oder chronischen Erkrankungen, Schlafstörungen u.v.m. Solche manifesten Störungen des Wohlbefindens können eine starke Belastung für den Schultag eines
Kindes sein. Hier greift die Heileurythmie ebenfalls helfend und lindernd ein.
Damit Kinder oder Jugendliche bei uns an der Schule in den Genuss der Heileurythmie kommen können, sollte möglichst immer der Schularzt oder der Hausarzt einbezogen werden. Diese können entweder selbst den Anstoß für eine Heileurythmieepoche geben oder es sind die Eltern oder der Lehrer, die einen entsprechenden Vorschlag machen. Selbstverständlich dürfen auch die Schülerinnen und Schüler selbst den Wunsch äußern.
Die Waldorfschule hat die gesunde Entwicklung des Kindes zum Ziel. Für dieses Ziel arbeiten die Pädagogen und ihre Helfer, der Schularzt und die Therapeuten, Hand in Hand. Gesundheit, im ganzheitlichen Sinne verstanden, ist eine wesentliche Voraussetzung für engagiertes Lernen und Mitarbeiten im Unterricht, für Ausdauer und Leistungsfähigkeit, für die Freude am Miteinander und der Gemeinschaft. Daran über die Heileurythmie mitzuwirken ist eine wichtige und besonders schöne Aufgabe.
H.-D. Egerer