Freier christlicher Religionsunterricht – Begegnung mit den Grundwahrheiten des Christentums
Als im Jahre 1919 die erste Waldorfschule in Stuttgart gegründet wurde, war zunächst kein Religionsunterricht vorgesehen. Bald jedoch traten Eltern an Rudolf Steiner mit dem Wunsche heran, er möge doch bitte einen konfessionellen Religionsunterricht einrichten. Rudolf Steiner ging auf diesen Wunsch ein und fortan wurden evangelische und katholische Religionsstunden von Vertretern der jeweiligen Konfessionen in den Räumen der Waldorfschule abgehalten, die von den jeweiligen Vertretern auch selbst verantwortet wurden.
Es blieb eine Gruppe Kinder über, die aus Arbeiterfamilien der Zigarettenfabrik Waldorf-Astoria stammten und die keiner Konfession angehörten. Für diese Kinder wurde der „freie Religionsunterricht“ eingerichtet, der von Waldorfl ehrern erteilt wurde. Heute wird der „freie christliche Religionsunterricht“ nicht immer nur von Kindern besucht, deren Eltern keiner Konfession angehören. Die Eltern können jedes Schuljahr für ihr Kind entscheiden, welchen Religionsunterricht es besuchen soll. In diesem Religionsunterricht für die Klassen 1 bis 8 wird versucht, die Kinder für ihr späteres Wirken mit lebendigen religiösen Kräften auszustatten und ihnen in freier Weise die großen Grundwahrheiten des Christentums darzustellen und zu entfalten.
Birgit Kohn
Christengemeinschaft
(Text folgt)
Konfessioneller Religionsunterricht – Suche nach Orientierung und Lebenssinn
Wir sitzen im Stuhlkreis zum Beginn des Unterrichts. In der Mitte brennt eine Kerze. Nach der Begrüßung singen wir ein Lied zur Gitarre, das die Kirchenjahreszeit oder den Themenschwerpunkt des Unterrichts aufnimmt. Ein Gebet, im Wechsel gesprochen, schließt den Beginn des Unterrichts ab. Eine biblische Erzählung, ein Impuls, je nach Alter und Unterrichtsgegenstand, schließt sich an und wird in eigener Arbeit oder in der Gruppe vertieft.
Konfessioneller Religionsunterricht, ermöglicht durch die Schule und das große Engagement der Eltern in der Religionsvielfalt-Initiative, begleitet Kinder und Jugendliche bei ihrer Suche nach Orientierung und Lebenssinn. In altersgemäßer Weise stellt er den Zusammenhang von Glauben und Leben dar und ermöglicht die Bedeutung des Evangeliums von Jesus Christus im Leben zu entdecken und im Glauben eine Hilfe zur Deutung und Gestaltung des Lebens zu finden. Wie kann das geschehen?
Die Kinder und Jugendlichen begegnen Geschichten aus der Bibel.
Die in der Bibel geschilderten Erfahrungen der Menschen in der Begegnung mit Gott eröffnen Möglichkeiten, eigene Erfahrungen im Horizont des Glaubens zu deuten und zu verstehen. Wie gehen diese Menschen mit Angst, Trauer, Schuld und Scheitern um? Wie hilft der Glaube an Gott in solchen schwierigen Situationen? Im Erzählen und vertiefenden Gestalten der biblischen Geschichten aus dem Alten Testament und der Geschichte Jesu im Neuen Testament erleben und entdecken sie die Vielfalt der biblischen Überlieferung als Hilfe für ihr eigenes Leben und Handeln.
Die Kinder und Jugendlichen begreifen die Welt als Gottes Schöpfung.
Sie werden angehalten innezuhalten, zu staunen und sich über die kleinen und großen Dinge des Lebens als Geschenk Gottes zu freuen. Sie äußern und erweitern im Gespräch Fragen nach unserer Vorstellung von Welt. Sie fragen und suchen nach der Wirklichkeit Gottes und dem Sinn des Lebens. Die Kinder und Jugendlichen können im Religionsunterricht in einfachen Formen wie Liedern, Gebeten und Psalmen Formen des Glaubens einüben. Gebet, Feste und religiöses Brauchtum gehören deshalb zum Unterricht dazu. Die Schülerinnen und Schüler werden vertraut mit Formen gelebten christlichen Glaubens. Dabei ist die Offenheit für alle Konfessionen und andere Religionen wichtig.
Im Miteinander des Unterrichtes üben sie ihre eigene Meinung zu vertreten und andere Standpunkte zu tolerieren. Es bleibt Raum für die Frage nach dem eigenen Ich und dem Umgang miteinander in christlicher Verantwortung.
Thomas Wolf