SMV-Projekttage: Brief der Schülermitverwaltung (SMV) an die Redaktion der NWZ

Sehr geehrte Damen und Herren der NWZ,

mit Kanonen auf Spatzen schießen ist anscheinend der neue Trend bei der NWZ.
Trotz Prüfungsstress wollten wir aus der Schülermitverwaltung der Freien Waldorfschule Filstal ein Projekt auf die Beine stellen, das den Schülern Spaß macht. Mal etwas anderes erleben, als den Schulalltag – das war die Idee. Doch jetzt hat sich alles geändert.

Neuerdings werden wir als „16jährige“ Teenager dargestellt (wir sind mehrheitlich volljährig), die zwar ihr Bestes geben, jedoch schließlich „einsehen müssen, dass sie zum Teil auf einem gefährlichen Irrweg unterwegs waren“. Im Artikel der NWZ wird es überdeutlich formuliert: Man könne es uns nicht verübeln, dass wir uns von „Verschwörungstheoretikern“ begeistern lassen würden. So sei das eben bei jungen, dummen Heranwachsenden. „Die Schüler der Waldorfschule in Faurndau können einem schon leid tun“, heißt es im Artikel von Herrn Thiele.

Doch wir können Sie beruhigen. Die Freie Waldorfschule Filstal ist kein Ort, an dem „Verschwörungstheoretiker“ und sogenannte „Systemgegner“ herangezüchtet werden. Ganz im Gegenteil: Es geht ja eben darum, kritisches Denken zu entwickeln. Wir bieten insgesamt 13 Projektgruppen an und eine Podiumsdiskussion über das Freihandelsabkommen, bei der Experten beider Standpunkte vertreten sind. Ein vielfältiges Angebot, das in den Artikeln der NWZ auf einen kleinen Teil reduziert wird.

Viele Fragen tauchen bei uns auf: Darf man sich nicht einmal die andere Seite anhören, ohne sofort etwas „auf den Deckel“ zu bekommen? Ist es schon falsch, wenn man daran interessiert ist, wie andere Menschen denken? Wenn dem so sei, dann schneiden Sie sich ins eigene Bein, denn damit würden Sie genau das bestätigen, was die „bösen Verschwörungstheoretiker“ sagen.

Es ist ein großer Unterschied, wenn man solchen Leuten alleine vor dem Bildschirm ausgeliefert ist und deren ungehemmte Meinung zu hören bekommt und niemanden hat, mit dem man das reflektieren kann, oder ob man das zusammen in einer Gruppe und mit pädagogischer Begleitung zu hören bekommt und danach mit verschiedenen Meinungen darüber debattiert wird.

Wir stehen zu unserem Ursprungs-Konzept: Wir wollen verschiedene Meinungen anbieten. Momentan sind wir aber etwas irritiert. War es nicht auch ursprünglich das Ziel der Presse, dass man beide Seiten zu Wort kommen lässt? So war es auch unser Ziel. Und nicht, weil wir alles anzweifeln und hinter jeder Ecke eine Verschwörung vermuten, sondern weil wir in der Waldorfschule lernen wollen, was es heißt, sich mit zwei gegensätzlichen Darstellungen eine Meinung zu bilden. Wir haben die Projekttage nicht ohne Grund erst ab der 9. Klasse angeboten. In diesem Alter kann man voraussetzen, dass sich ein Schüler mit einem Thema kritisch auseinandersetzt. In der NWZ steht es nicht so. Wenn man die Aussagen in der NWZ verdeutlicht, dann steht da, dass die Schüler unserer Schule alle ein bisschen neben der Spur sind. So, als würden wir an alles glauben, was Ken Jebsen und Kilez More behaupten und würden deshalb unter dem Decknamen „Projekttage“ unsere persönliche Verschwörungs-Party abfeiern.

Wahrscheinlich erscheint morgen ein Artikel in der NWZ mit der Überschrift: „SMV bestätigt: Wir glauben an die große Verschwörung“. Wir müssen ehrlich zugeben: Mittlerweile wissen wir nicht mehr, ob wir über die NWZ lachen oder weinen sollen.

Mit ihrer einseitigen Berichterstattung haben Sie uns jedenfalls einen schönen Dämpfer verpasst, gebracht hat es jedoch nichts. Wenn man nur deshalb mundtot gemacht wird, weil man Menschen einlädt, die eine ungewohnte und provozierende Meinung vertreten – wozu machen wir dann noch Projekttage? Sollen wir bei den nächsten Projekttagen ausschließlich Redakteure der NWZ einladen, damit wir nichts zu befürchten haben? Sollen wir nur „braven“ Leuten zuhören? Wenn das ihr Antrieb war, haben Sie ihr Ziel nicht erreicht: Es war uns eine Lektion in Sachen „Pressefreiheit“ und „Meinungsfreiheit“.

Mit freundlichen Grüßen

Die Schülermitverwaltung (SMV)
der Freien Waldorfschule Filstal